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Rückblick 2022 – Ausblick 2023

11. Januar 2023

Fokus

Die durch die Pandemie bedingten Lieferengpässe und schliesslich der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine haben die Inflation auf 40-jährige Höchststände getrieben. Mit Ausnahme von Energie- und Agrarrohstoffen haben praktisch alle Anlageklassen Kursverluste verzeichnet und für gemischte Mandate zu einer der schlechtesten Wertentwicklung in der Geschichte geführt. Kurserholungen auf Aktienindizes dauerten meist nur ein paar Wochen und waren durch kurzfristig fallende Zinsen begründet, die wiederum auf der Hoffnung auf eine Lockerung der Geldpolitik der Notenbanken basierte. Der Fokus der Marktteilnehmer wird auch 2023 auf der weiteren Entwicklung der Inflation und der Zinserhöhungen der Notenbanken liegen. Kurzfristig kann die Spitze in der Inflation überschritten sein. Allerdings dürfte sie auf absehbare Zeit aber kaum auf die Zielgrösse von 2% zurückkehren und die Märkte weiter in Atem halten.

 

Weltwirtschaft

Höhere Inflation und Zinsen, gestiegene Faktorkosten und sinkende Kaufkraft belasten die Aussichten

Der Ausblick wird wie für das auslaufende Jahr stark von der Entwicklung der Inflation geprägt sein. Notenbanken werden vorerst weiter, wenngleich auch weniger heftig, ihre Geldpolitik straffen. Da die kurzfristigen Zinsen kräftiger gestiegen sind als die Zinssätze von Anleihen mit längeren Laufzeiten, ist die Zinskurve in vielen Ländern teils erheblich invertiert. Derart deutlich höher rentierende kurzlaufende Anlagen gegenüber längeren Laufzeiten waren in der Vergangenheit ein Indiz für eine nahe Rezession. Diese wird von den Notenbanken zur indirekten Bekämpfung des Preisschubes in Kauf genommen. Wie rasch die Notenbanken dann auf eine lockerere Geldpolitik umschwenken werden, ist unsicher. Für die Notenbanken gilt es abzuwägen, ob sie den Fokus auf die Inflationsbekämpfung oder die Konjunkturstütze richten werden. Eine Lockerung der Geldpolitik wird zwar die Konjunktur beflügeln, aber wohl auch die Inflation.

 

Der Spagat der EZB

Für die EZB gestaltet sich die Ausgangslage ungleich schwieriger als in den USA oder der Schweiz. Die Inflation hatte zwischenzeitlich zweistellige Prozentsätze erreicht, ist jedoch inzwischen ebenfalls rückläufig. Der wieder stärkere Euro und fallende Energiepreise führen dank fallender importierter Preise zu einem abnehmenden Inflationsdruck. Gleichzeitig drohen aber steigende administrative Kosten einen weiteren Inflationsschub auszulösen. Schliesslich setzen die hochverschuldeten Peripheriestaaten im Süden einer strafferen Geldpolitik zur Inflationsbekämpfung enge Grenzen. Es gilt die Fragmentierung unter den Mitgliedstaaten und politische Spannungen nicht noch weiter zu befeuern, was dem eigentlichen Ziel der Inflationsbekämpfung kurzfristig diametral entgegensteht. Die Inflation dürfte im internationalen Vergleich höher ausfallen und länger anhalten.

 

China steht vor grossen Herausforderungen

Mit der strikten Null-Covid-Politik hat China ihre Produktionsstätten teilweise vollständig stillgelegt und damit global Lieferengpässe verursacht oder bereits bestehende zusätzlich akzentuiert. Dies hat die lokale wie auch die globale Wirtschaft massiv eingeschränkt und das Wirtschaftswachstum gedrosselt. Die Abkehr von dieser restriktiven Haltung verbessert die Wachstumsperspektive, birgt aber auch die Gefahr einer neuerlichen Ausbreitung und der Überlastung der Spitäler.

Die Immobilienkrise hängt als Damokles-Schwert über der chinesischen Wirtschaft. Eine tiefe Inflation ermöglicht es der chinesischen Notenbank die Geldpolitik leicht zu lockern und durch den Aufschub der Zinszahlungen auf Hypotheken die Lage zu beruhigen. Die Situation ist aber keineswegs bereinigt.

Sowohl von der Corona-Politik wie auch der Immobilienkrise geht weiterhin ein erhebliches Gefahrenpotential für die lokale wie auch die globale Wirtschaft aus.

 

Schweizer Wirtschaft zeigt sich robust

Basierend auf einer global überraschend tiefen Inflation, die bereits die Höchststände überschritten hat, befindet sich die Schweizer Wirtschaft in einer robusten Verfassung. Das Wachstum beläuft sich für 2022 auf ca. 2%. Die Dynamik gab bereits im Jahresverlauf sukzessive nach, was sich 2023 fortsetzen wird. Die Arbeitsmarktsituation ist weiter angespannt. Eine Rezession kann möglicherweise abgewendet werden.

 

Aktien- und Rohstoffmärkte

Aktienmärkte leiden unter steigenden Zinsen, sinkender Notenbankliquidität und Kostendruck

Die Aktienindizes haben 2022 deutlich korrigiert. Die hohe Inflation bewegte die Notenbanken zu einschneidenden Zinserhöhungen, die 2023 fortgesetzt werden dürften, jedoch in gedrosseltem Tempo. Höhere Zinsen führen zu gestiegenen Güter- und Finanzierungskosten sowie einer Bewertungskontraktion. Margen und Gewinne werden 2023 vermehrt unter Druck geraten. Sinkende Gewinne in Kombination mit tieferen Bewertungen implizieren tiefere Kursziele. Die quantitative Straffung der Geldpolitik schöpft Liquidität ab und lastet auf den Aktienindizes. Aus den resultierenden Kurskorrekturen dürften sich im Laufe des Jahres aber günstige Kaufgelegenheiten ergeben. Unsicherheiten und Volatilitäten bleiben jedoch hoch.

Abgewendete Energiemangellage in Europa

Der Krieg in der Ukraine, die Sanktionen gegen Russland und der Lieferstopp von russischem Gas an Europa haben die Energiemärkte destabilisiert. Der Aufbau von Reserven im Hinblick auf den Winter hat die Preise insbesondere für Gas explodieren und auch die Strompreise ansteigen lassen. Die Organisation erdölexportierender Länder und Russland (OPEC+) verknappt das globale Angebot und hält die Preise hoch. Daran dürfte sich auch im neuen Jahr kaum etwas ändern. Der inflationäre Druck der Energiekosten sinkt aber aufgrund der fallenden Preise und des Basiseffektes.
Enttäuschendes Gold trotz hoher Unsicherheiten

 

Gold hat 2022 trotz geopolitischer Unsicherheiten und hoher Inflation die Erwartungen enttäuscht

Gestiegene Zinsen und ein starker Dollar haben belastet. Die Zinsenerwartungen dürften sich nun auf den erreichten Niveaus einpendeln und der mittlerweile überbewerte Dollar unter Druck geraten. Beides müsste sich positiv auf den Goldkurs auswirken.

 

Devisen- und Kapitalmärkte

Geldpolitik zwischen Inflationsbekämpfung und «Soft Landing»

Notenbanken sind gezwungen, der gestiegenen Inflation mit einer strafferen Geldpolitik zu begegnen. Zur Bekämpfung der Inflation wird eine Rezession in Kauf genommen. Die Wahrscheinlichkeit eines «Fed Puts» (Lockerung der Geldpolitik) ist deshalb tief. Die Inflationsraten haben den Scheitelpunkt überschritten oder werden diesen dank günstigem Basiseffekt bald erreichen. Von den Marktteilnehmern wird erwartet, dass die Leitzinsen ihren Höchststand in den USA im ersten Halbjahr bei rund 5% und in Europa in der zweiten Jahreshälfte bei rund 3% erreichen. Die Realzinsen werden somit zunehmend attraktiv. Wir empfehlen das Untergewicht in der Obliationenquote schrittweise zu reduzieren.

Franken unter Aufwertungsdruck

Da die US-Notenbank die Leitzinsen bis dato am stärksten erhöht hat, wertete sich der US-Dollar aufgrund der steigenden Zinsdifferenz 2022 stark auf. Aus unserer Sicht ist dieser aktuell gegenüber vielen Währungen überbewertet. Gegenüber dem Schweizer Franken dürfte sich dieser aber auch weiterhin in der Bandbreite zwischen 0.90 und 1.00 bewegen. Der Euro steht aufgrund der politischen Unsicherheiten in den Peripheriestaaten und der angespannten Energieversorgung weiter unter Druck. Zudem sieht sich die Europäische Zentralbank mit dem Dilemma konfrontiert, einerseits der hohen Inflation mit Zinserhöhungen entgegen zu treten, andererseits aber die hoch verschuldeten Länder nicht einer zusätzlichen finanziellen Belastung auszusetzen. Der Franken als krisenresistente Währung dürfte sich dank tiefer Inflation weiter aufwerten.

 

 


Kontakt: Christoph Sieger, Portfolio Manager
Telefon: +41 58 680 60 56


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