30. Januar 2020
Coronavirus stoppt vorerst die liquiditätsgetriebene Aktienhausse. Ein negativer Nachfrage- und Angebotsschock droht
Insbesondere US-Aktien waren vor der «Corona-Viruskorrektur» hoch bewertet und technisch überkauft. Die fortbestehende Überbewertung macht Aktien für eine Korrektur anfällig, selbst wenn das Corona-Virus unter Kontrolle gebracht werden sollte.
Wurden zu viel Vorschusslorbeeren verteilt?
Die Aktienmärkte starteten fulminant ins neue Jahr. Fast alle Prognosen für 2020 gehen davon aus, dass sich die Hausse mit «vernünftiger Geschwindigkeit» fortsetzen und sich die Weltwirtschaft leicht erholen wird. Mit den starken Kursavancen der letzten Monate ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass bereits zu viel Vorschusslorbeeren verteilt wurden.
Assetpreise werden durch Zentralbankliquidität angetrieben
Die Zentralbankpolitik hat es nicht geschafft, Konsumentenpreisinflation in nennenswertem Ausmass zu produzieren. Stattdessen wurde die Assetpreisinflation erneut angeheizt. Die Kurssteigerungen im letzten Jahr wurden bis jetzt jedoch nicht durch entsprechende Gewinnsteigerungen bei den Unternehmen untermauert.
US-Aktien vor «Virus-Korrektur» technisch deutlich überkauft
Vor der Korrektur der letzten Tage waren insbesondere US-Aktien technisch stark überkauft, die Angst der Investoren etwas zu verpassen dementsprechend hoch.
Ausbruch des Corona-Virus
«There is always the unexpected» (Zitat aus Bridge on the River Kwai). Vermutlich wären Aktien kurzfristig durch die Liquiditätsschaffung der Zentralbanken weiter nach oben getrieben worden, wenn nicht ein neuer Coronavirus in China ausgebrochen wäre. Damit hatte niemand gerechnet!
Grosse Teile Chinas befinden sich im Notstand
Die weitere Verbreitung des Coronavirus und die mittelfristigen (wirtschaftlichen und menschlichen) Konsequenzen sind fast nicht vorhersehbar.
Kurzfristiger realökonomischer Schaden erheblich
Planwirtschaftliche Systeme zeichnen sich in der Regel durch eine beschönigende Kommunikation aus. Meistens werden unangenehme Wahrheiten solange verschwiegen, bis es nicht mehr geht. Alle offiziellen Angaben sind mit besonderer Vorsicht zu geniessen.
China versucht derzeit rund 50 Millionen Menschen abzuriegeln, indem öffentliche Transportmittel und der Überlandverkehr soweit als möglich gestoppt werden. Bei 1.4 Milliarden Einwohnern sind somit rund 3.6% der Bevölkerung Chinas betroffen.
In den nächsten Tagen, vielleicht Wochen ist mit einer steigenden Zahl an Infizierten und Toten zu rechnen. Der kurzfristige Schaden für die Wirtschaft konzentriert sich auf die Sektoren Transport und Tourismus, vor allem ist der globale Luftverkehr negativ betroffen. Sportveranstaltungen werden abgesagt. Da Menschen vermeiden werden, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen, werden auch die Einzelhandelsumsätze in den betroffenen Regionen, Flughäfen und Tourismus-Hotspots (auch Luzern wird betroffen sein), deutlich sinken. In 2003 bezeichnete der internationale Luftverkehrsverband IATA das Geschäftsjahr aufgrund des Lungenvirus SARS als «das schwierigste Jahr in der Geschichte der Luftfahrt». Der unmittelbare Schaden wurde auf rund 10 Milliarden US-Dollar beziffert. Mit «nur» 1’000 Toten konnte SARS damals relativ schnell eingedämmt werden.
China versucht die Ausbreitung des Coronavirus durch Reiseverbote zu bekämpfen
Es ist unklar, ob eine ähnlich schnelle Eindämmung gelingt. Prinzipiell sind Seuchenausbreitungen berechenbar, falls folgende Parameter zuverlässig geschätzt werden könnten: Ansteckungswahrscheinlichkeit im Kontaktfall, Anzahl Kontakte während der Zeit, in der man ansteckend ist, Sterbe-, Immunisierungs- & Überlebenswahrscheinlichkeit. Alle Daten sind derzeit unbekannt oder können nur sehr grob abgeschätzt werden. Auch der Einfluss der Isolations- / Abschottungsmassnahmen ist schwierig abzuschätzen. Auch wenn China über optimierte Orwell’sche Überwachungstechnologien verfügt, kann eine hundertprozentige Abschottung von Regionen und Grossstädten nicht gelingen. Es ist unbekannt, wie schnell ein Impfstoff und wirksame Medikamente entwickelt werden können. Ermutigend ist immerhin, dass bis Redaktionsschluss noch keine Todesfälle ausserhalb Chinas aufgetreten sind. Mit 106 Todesfällen und 4’515 Infizierten beträgt eine Schätzung für die Unterschwelle der Mortalitätsrate rund 2.3%, da noch nicht bekannt ist, wie viele der 4’515 in den nächsten Monaten überleben werden. Wir wissen ebenfalls nicht, wie schnell das Virus mutiert und wie gefährlich diese Mutationen sein werden.
China schliesst ausgewählte Produktionsstandorte…
Ansteckungsgefahr droht bei allen Menschenansammlungen, somit auch bei der Arbeit. China hat angeordnet, dass das Fabrikationszentrum Suzhou, wo sich einige der grössten Fabrikationsstädten der Welt befinden, und u.a. Teile für das iPhone und Produkte für Samsung oder auch Johnson & Johnson hergestellt werden, für mindestens 1 Woche «geschlossen» wird.
… was einen negativen Angebotsschock darstellt
Somit handelt es sich bei dem Corona-Schock nicht nur um einen negativen Nachfrageschock, sondern auch um einen negativen Angebotsschock. Viele chinesische Arbeiter können nicht arbeiten und sie konsumieren nicht, da sie vermutlich nur das Notwendigste einkaufen werden. Die Ansteckungsrisiken in Einkaufszentren und Restaurants sind schlichtweg derzeit zu gross.
Was wären Entwarnungszeichen?
Anzeichen, dass die Viruserkrankung in der Mehrzahl aller Fälle bei jüngeren, gesunden Menschen nicht tödlich verläuft, wären starke «Entwarnungszeichen». Auch Anzeichen, dass die Wachstumsrate der Erkrankungsfälle sinkt, wären sehr positiv, da dies bedeuten würde, dass die Isolierungsmassnahmen erfolgreich sind. Die nächsten Tage werden hier mehr Klarheit schaffen.
Zaghafte Anzeichen, dass das Schlimmste der «Industrierezession» überstanden ist
Blenden wir für einen Augenblick das Coronavirus aus und wenden uns den Konjunkturindikatoren zu. Hier gibt es Grund für einen zaghaften Optimismus, dass sich eine leichte Erholung der weltweiten Wertschöpfung in den verarbeitenden Industrien, nicht zuletzt auch in Japan andeutet.
Japanische Einkaufsmanagerindizes erholen sich
Der Einkaufsmangerindex für das verarbeitende Gewebe stieg von 48.4 auf 49.3. Der Index für die Dienstleistungen verbesserte sich markant von 49.4 auf 52.1. Der Gesamtindex stieg von 48.6 auf 51.1 und befindet sich neu komfortabel im Wachstumsbereich.
Anlageempfehlung:
Wir behalten unsere Einschätzung bei, Aktien leicht un-terzugewichten. Wir bleiben bei unserer positiven Einschätzung gegenüber Gold. Panik ist nicht angebracht, mit einer Erhöhung der Ak-tienquote warten wir jedoch noch zu.
Kontakt: Thomas Härter, CIO, Investment Office
Telefon: +41 58 680 60 44
Disclaimer: Die in diesem Dokument enthaltenen Informationen und Ansichten beruhen auf Quellen, die wir als zuverlässig erachten. Dennoch können wir weder für die Zuverlässigkeit noch für die Vollständigkeit oder Richtigkeit dieser Quellen garantieren. Diese Informationen und Ansichten begründen weder eine Aufforderung noch ein Angebot oder eine Empfehlung zum Erwerb oder Verkauf von Anlageinstrumenten oder zur Tätigung sonstiger Transaktionen. Interessierten Investoren empfehlen wir dringend, ihren persönlichen Anlageberater zu konsultieren, bevor sie auf der Basis dieses Dokumentes Entscheidungen fällen, damit persönliche Anlageziele, finanzielle Situation, individuelle Bedürfnisse und Risikoprofil sowie weitere Informationen im Rahmen einer umfassenden Beratung gebührend berücksichtigt werden können.
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